marc norbert hörler

*1989 (dey/er), lebt und ar­bei­tet zwi­schen Ap­pen­zell und Ber­lin. Seine Pra­xis um­fasst Po­e­sie, Ge­sang, Ge­ruch, Schrei­ben, Per­for­mance, Ku­ra­tie­ren und Pu­bli­zie­ren. In der Ar­beit mit Spra­che und Sin­nen kom­po­niert er räum­li­che, akus­ti­sche und ge­ruch­li­che Um­ge­bun­gen mit einem In­ter­es­se an sinn­li­chem Story-Tel­ling und dia­chro­nen lin­gu­is­ti­schen Ver­we­bun­gen.


notes on cedar, 2023, ol­fak­to­ri­sche at­mo­sphäre, ze­dern­holz, ber­ga­mot­te, yuzu, ve­ti­ver, wach­hol­der, myr­rhe

rug­gu­se­li (ace of swords, dan­de­li­ons, song for ten­der­ness)
, 2023, audio, 60 min, kom­po­si­ti­on/stim­memarc nor­bert hörler, mu­sik­pro­duk­ti­on/sound de­sign—pablo giménez ar­tea­ga

the smoke in our no­strils
, 2023, ol­fak­to­ri­sche at­mo­sphäre, weih­rauch, oud, tabak, myr­rhe, ze­dern­holz, fich­te, la­ven­del, pinie

Ge­rü­che tra­gen Bil­der in sich. Sie haben die Kraft, Jahr­zehn­te zu über­brü­cken und längst bei­sei­te ge­scho­be­ne Er­in­ne­run­gen wie­der her­vor­zu­ru­fen. Ge­rü­che kön­nen mü­he­los Ge­dan­ken, Ge­füh­le und einst Ge­se­he­nes trans­por­tie­ren. Ist die­ses Po­ten­ti­al der Ge­rü­che sogar noch grös­ser? Sind Ge­rü­che auch mit Iden­ti­tä­ten, his­to­ri­schen Er­eig­nis­sen und ge­sell­schaft­li­chen Re­a­li­tä­ten ver­bun­den? Wann wird ein Ge­ruch als Duft wahr­ge­nom­men? marc nor­bert hör­ler er­forscht Ge­rü­che. Für die Kul­tur­lands­ge­mein­de 2023 hat marc ei­gens zwei Düfte kom­po­niert und in­sze­niert damit un­ter­schied­li­che ol­fak­to­ri­sche At­mo­sphä­ren. «the smoke in our no­strils»
spannt eine Klam­mer vom Da­ch­ge­schoss des Zeug­hau­ses bis ins Un­ter­ge­schoss. Wäh­rend zu­o­berst ein Duft ver­strömt wird, der seine Noten über alle Eta­gen hin ent­fal­tet, er­klingt im Keller­ge­schoss eine So­und­spur. Für diese hat marc nor­bert hör­ler ei­ge­ne Ge­dich­te ver­tont, spielt sphä­ri­sche Klän­ge ein und singt Rug­gu­se­li. Die Ge­dich­te spie­geln eine hy­bri­de Re­a­li­tät: siespei­sen sich aus alten Lie­dern und Zau­ber­sprüchen und ver­schmel­zen sie mit zeit­ge­nös­si­scher Lyrik. Für die ol­fak­to­ri­sche At­mo­sphä­re kre­i­er­te marc nor­bert hör­ler einen heu­ar­ti­gen Duft mit Kräu­ter­no­ten und einer rau­chi­gen, ver­brann­ten Kom­po­nen­te. Der Titel die­ser Sound- und Duf­tin­stal­la­ti­on be­zieht sich auf eine Aus­sa­ge der Neo­pa­gi­nis­tin Sta­r­hawk über den Ge­ruch der He­xen­ver­bren­nun­gen, der noch immer in un­se­ren Nüs­tern hänge. marc nor­bert hör­ler setzt sich in sei­ner ak­tu­el­len Ar­beit ins­be­son­de­re mit den He­xen­ver­bren­nun­gen in Ap­pen­zell Inn­err­ho­den aus­ein­an­der. Im Zeug­haus Teu­fen ver­weist marc bei­spiels­wei­se mit vi­o­lett­fa­r­bi­gen Fens­ter­fo­li­en und dem da­durch vi­o­lett er­schei­nen­den Licht im Trep­pen­haus auf ok­kul­te The­men, zu­gleich ist diese Farbe queer auf­ge­la­den.


Mit dem Werk­bei­trag der Inn­err­ho­der Kul­tur­stif­tung 2021 er­forscht marc ok­kul­te Prak­ti­ken, Zau­ber­sprü­che und He­xen­pro­zes­se und re­cher­chiert im dor­ti­gen Lan­des­a­r­chiv in Pro­to­kol­len des ge­hei­men Rates und zu Zeu­ge­n­aus­sa­gen. Diese For­schun­gen und Re­cher­chen wer­den in 
«he­ca­tan lines» mit Ele­men­ten der Volks­kul­tur und einer quee­ren, glo­ba­len Per­spek­ti­ve ver­bun­den. Das Werk ist der­zeit aus­ge­stellt im Kunst­mu­se­um Ap­pen­zell. Es führt Ge­sang, Duft und Spra­che zu­sam­men. Alle drei Aus­drucks­for­men sind ver­gäng­lich und sind auch in ma­gi­schen oder re­li­gi­ösen Zu­sam­men­hän­gen un­ent­behr­lich. Für das Zeug­haus Teu­fen hat marc nor­bert hör­ler diese Ar­beit trans­for­miert und dabei auch das dies­jäh­ri­ge Thema der Kul­tur­lands­ge­mein­de in­te­griert. Sie wid­met sich der Er­zäh­lung von Hei­mat. Auch dabei ent­fal­ten Düfte eine gros­se Kraft: Sie evo­zie­ren Stim­mun­gen, Ge­füh­le und Er­in­ne­run­gen auch in Bezug auf Her­kunft oder Ver­bun­den­heit mit einer Land­schaft, einem Ort, einer Szene oder Grup­pe. hör­ler ar­bei­tet dies auch mit «notes on cedar» her­aus. Die­sen Duft ent­wi­ckel­te marc ei­gens für die Bar «El Gato Mu­er­to» von Ba­r­ba­ra Si­g­ner und Mi­cha­el Bo­den­mann. Die klei­ne no­ma­di­sie­ren­de Bar macht für die Kul­tur­lands­ge­mein­de Sta­ti­on in Teu­fen. Mit ihrer Ein­rich­tung, der Enge, den Fo­to­gra­fi­en, ja­pa­ni­schen Zi­ga­ret­ten­schach­teln und vie­len an­de­ren Din­gen aus dem Rei­se­fun­dus von Si­g­ner und Bo­den­mann be­zieht sie sich auf die klei­nen Bars in Tokyo, in denen nach dem lan­gen Ar­beits­tag ein­ge­kehrt, ge­trun­ken und ge­raucht wird. Letz­te­res ist hier­zu­lan­de nicht mehr er­laubt, damit fehlt ein wich­ti­ger ol­fak­to­ri­scher Fak­tor in dem klei­nen Raum. Statt­des­sen bringt marc nor­bert hör­ler eine rei­che Duft­kom­po­si­ti­on ins Spiel: «der duft von ze­dern­holz trägt zi­tri­sche und fri­sche bis würzige ele­men­te in sich. zu­sam­men mit zi­tri­schen aspek­ten von ber­ga­mot­te und yuzu ist der duft in den hol­zi­gen, ha­r­zi­gen und tro­ckenen aspek­ten von ve­ti­ver, wa­chol­der und myr­rhe ge­er­det.» Die zi­tri­schen und hol­zi­gen Noten über­tra­gen sich auf die Pols­ter und das Holz in der Bar, ge­gen­sei­tig durch­drin­gen sich die alten, längst ein­ge­la­ger­ten Ge­rü­che und der neue Duft. Diese Sym­bio­se von hier und heute, von Ferne und frü­her weckt für die einen ein ver­trau­tes Ge­fühl, für die an­de­ren schwin­gen Frem­de oder Sehn­süch­te mit: Düfte kön­nen Ge­schich­ten er­zäh­len, sie über­brü­cken nicht nur Zei­ten, son­dern auch rie­si­ge geo­gra­phi­sche Ent­fer­nun­gen. (Text: Kris­tin Schmidt, Mai 2023)


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