Ich bin so frei
Kulturlandsgemeinde 2012, Wienacht-Tobel und Lutzenberg
Freispiele, Freiheitsrechte, Freigeister
Freiheit Freizeit Freiwilligkeit unfrei vogelfrei keimfrei Freiheitsbaum Redefreiheit Meinungs- und Versammlungsfreiheit Freisinn Freibier Freiraum glutenfrei hustenfrei rauchfrei gedankenfrei Freitag Freitod Freiheitsrecht Freipass Freigeist spielfrei Freidenker Freischwimmer frei
Das politisch-kulturelle Minifestival brachte 2012 Fachleute aus Geschichte, Recht, Politik, Kultur und Religion an einen Tisch und lud zu freier Rede, Kunst und Spiel bei meist freier Sicht auf Berg und See.
«Die Kulturlandsgemeinde ist ein wunderbarer Denk- und Begegnungsraum, den ich mit vielen inspirierenden Momenten in Verbindung bringe.»
Erinnerungen
Im Vorfeld der Kulturlandsgemeinde verbrachte ich sechs beeindruckende Wochen mit Asylsuchenden aus Bosnien, Kosovo und Serbien im ehemaligen Durchgangszentrum Alpenblick. Gemeinsam bauten wir die Stockwerksinstallation «Transit» auf. Die zehn Männer waren mit ihren Familien in die Schweiz geflüchtet, um auf einem idyllischen Hügel zu stagnieren und dort einer jungen Frau zu helfen, ein altes, schönes Haus durch einen dysfunktionalen baulichen Eingriff der Kunst wegen zu «zerstören» – eine absurde Ausgangslage. Ohne viele Worte bauten wir allmählich gegenseitiges Verständnis auf. Wir assen täglich zusammen in der Asylheimkantine, wo ich einen Eindruck ihrer misslichen und aussichtslosen Lage erhielt. Unsere kleine Baustelle gestalteten wir mit viel Humor und starkem Kaffee. Die Kulturlandsgemeinde war für mich eine glückliche Zeit.
Die Kulturlandsgemeinde ist ein wunderbarer Denk- und Begegnungsraum, den ich mit vielen inspirierenden Momenten in Verbindung bringe. Ich erinnere mich gern an meinen Auftritt an der Kulturlandsgemeinde 2012, auch wenn meine Erinnerungen nicht mehr ganz genau sind.
Ich weiss noch, dass ich ein spezielles theatrales Format zum Thema «innerer bzw. äusserer Freiheit» angeboten habe. Die Besuchenden mussten sich entscheiden, in einen von zwei zur Wahl stehenden Räume zu kommen. Dort spielte ich ihnen einzeln einen kurzen Monolog vor, der angelehnt war an «Striptease», ein absurdes Theaterstück aus den 1960er Jahren des polnischen Autors Sławomir Mrożek. Es gab zwei Varianten, je nachdem, welchen Raum man wählte. Simuliert wurde, dass man mich mit dem Zuschauenden in diesem Raum einschloss.
«Was ist Freiheit? Die Fähigkeit, eine Wahl zu treffen. Solange ich hier sitze und weiss, dass ich durch diese Tür hinaustreten kann, bin ich frei. Sobald ich aber aufstehe und hinausgehe, habe ich bereits gewählt, die Möglichkeiten meines Verhaltens eingeschränkt, die Freiheit verloren und mich zum Gefangenen meiner Handlung gemacht. Ich sitze, aber ich kann hinausgehen. Wenn ich hinausgehe, schliesse ich die Möglichkeit des Sitzenbleibens aus. Und dabei fühle ich mich wohl. Die uneingeschränkte innere Freiheit, das ist meine Antwort auf den geheimnisvollen Zwischenfall.» (aus: «Striptease», Theaterstück von Sławomir Mrożek).
Mrożek Stück behandelt auf absurde Weise den Umgang des Menschen mit dem Leben in einem totalitären System und die daraus resultierenden Deformationen. Ich weiss noch, dass manche Zuschauenden beide Varianten wählten, um nichts zu verpassen.
Mitwirkende
Fanny Bräuning
Martin Flüeler
Annina Frehner
Bruno Gähwiler
Thomas Geiser
Marcel Geisser
Paul Giger
Gret Haller
Miriam Herzberg
Gottfried Honegger
Beatrix Jessberger
Elisabeth Joris
Richi Küttel
Martin Kutterer
Kutti MC
Domenic Lang
Peter Liechti
Dragica Rajčić
Marcus Schäfer
Gottfried Schatz
Daniel Scherf
Verena Schoch
Constantin Seibt
Andreas Seidel
Roberto Simanowski
Bettina Spoerri
Karl Stadler
Ursula Taravella
Konzeptgruppe
Margrit Bürer
Heidi Eisenhut
Gisa Frank
Petra Schmidt
Hanspeter Spörri
Peter Surber
Am Samstag wurde im Alpenblick in Wienacht-Tobel in drei Plattform-Gesprächen über das Recht auf Freiheit, den Kampf um Freiheit und das Glück der Freiheit debattiert. Gleichzeitig luden Werkstätten zum freien Tun, Erleben und Begegnen ein: Papierflugzeuge herstellen mit Martin Flüeler, Trommeln mit Martin Kutterer, Meditieren mit Beatrix Jessberger, Beobachten mit den Späher:innen der Kantonsschule Trogen oder Blumenbomben vorbereiten mit Bruno Gähwiler. Künstlerische Interventionen ermöglichten Perspektivenwechsel: das Mini-Theaterstück für jeweils eine Zuschauer:in mit Marcus Schäfer, die Klanginstallationen und Graffiti-Arbeiten von Schüler:innen aus Lutzenberg, die Videointerviews von Verena Schoch, der Dokumentarfilm «No More Smoke Signals» von Fanny Bräuning und die Rauminstallation «Transit» von Annina Frehner. Diese war im Vorfeld in Zusammenarbeit mit Asylsuchenden in einem Stockwerk des ehemaligen Kurhotels und Asyldurchgangszentrums Alpenblick entstanden. Am Abend spielte Kutti MC ein Konzert mit dem Titel «Freischwimmer».
Am Sonntag traf sich die Kulturlandsgemeinde in der Schule Gitzbüchel in Lutzenberg. Nach der Verlesung der Sendschrift bildeten ein Referat des Künstlers Gottfried Honegger sowie Improvisationen vom Musiker Paul Giger den Abschluss des zweitägigen Festivals.