Macht.Gemein.Sinn.
Kulturlandsgemeinde 2019, Teufen
Gemeinsam sind wir stark!
Wie viel Eigensinn liegt drin? Gemeinwohl – ein Mythos? Gemeinnützigkeit – ein Auslaufmodell? Und wie tönt Gemeinsinn? Was machen Sie am liebsten gemeinsam? Was ist Ihnen das Gemeinwohl wert? In welchen Momenten kommt Ihnen der Sinn für das Gemeinsame abhanden?
Seit rund 200 Jahren gibt es in der Schweiz Gemeinnützige Gesellschaften. Bis heute verfolgen sie den Zweck, das Gemeinwohl zu stärken. Im und rund ums Zeughaus Teufen, einem Ort des gemeinsamen Entwickelns und Experimentierens, ergründete die Kulturlandsgemeinde 2019, wo Gemeinsinn gegenwärtig gelebt wird. Sie fragte, wie viele zusammen mächtiger sind, mehr wissen oder alles in Bewegung bringen können. Sie wagte den Balanceakt zwischen Gemeinsinn und Eigensinn, zwischen Utopie, Nostalgie und Dystopie, zwischen Offline- und Online-Welten.
«Viele Leute würden gerne Gegenstände, die sie besitzen mit anderen teilen und sie herborgen, nicht jede:r braucht einen eigenen Rasenmäher, eigene Schneeschuhe oder eine eigene Nähmaschine.»
Erinnerungen
Mai 2019. Vor 5 Jahren. Bin dabei, die Fotos dieser drei Tage zu sichten. Muss schmunzeln. Die Erinnerungen sind unvergesslich. Und schön. Ja, gemeinsam macht Sinn. Zwei Blasmusikvereine, ein Grossanlass. Proben, Auftritte, Turmbläser. Ein verschneites Dorf am Sonntagmorgen. Voll besetzter Bläserklassen-Workshop, ein Schlagzeuger am Bass. Genial. Ein aussergewöhnlicher Auftritt und ein bleibendes Interview an der INES Late Night Show. Hip-Hop mit Blasmusikinstrumenten. Wie cool ist das denn?! Ein gemeinsames Konzert im Zeughaus. 50 Musikantinnen und Musikanten. Das grosse Publikum? Ratlos. Blasmusik – echt jetzt? Zig Fans gewonnen. Ich schmunzle noch immer. Dankbar. Für das Gemeinsame.
Ein intensives und warmes Erlebnis war diese Kulturlandsgemeinde 2019, trotz der dicken Schneedecke, mit der das Wetter uns überraschte. Ich hatte mich sehr darauf gefreut, aus Wien dafür anzureisen. Es war spannend, andere Kulturschaffende kennenzulernen und sich auszutauschen beim gemeinsamen Essen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Gemeinsinn, meinem Projekt «Sharing Kiosk» und den Besucher:innen war inspirierend: Viele Leute würden gerne Gegenstände, die sie besitzen mit anderen teilen und sie herborgen, nicht jede:r braucht einen eigenen Rasenmäher, eigene Schneeschuhe oder eine eigene Nähmaschine. Gesucht wurde auch einiges: Vom neuen Job bis zum «Pöschelibock». Und mit Hilfe der gezeichneten Buttons gab es auch ein paar Matchs.
Erinnerungen: Für die Chance, einmal ein ganz grosses Bild zu realisieren für die Kulturlandsgemeinde, bin ich heute noch dankbar. Mir wurde ein weitgefasster Rahmen zur Verfügung gestellt an Raum und Zeit im Zeughaus Teufen sowie grosszügige, finanzielle Mittel für dieses Projekt. Toll und aussergewöhnlich. Schade, dass das Werk seither in meinem Lager als Erinnerung altert… Vielleicht, wie ein guter Wein? Schön, dass das Bild als Auftritt im darauffolgenden Obacht Kultur eine weitere Verbreitung fand. Dadurch wurde ein Kunstsammler aus Bern auf mich aufmerksam, besuchte mich im Atelier und hat bis heute zwei grössere und mehrere kleinere Werke von mir gekauft. Das war für mich überraschend erfreulich und als mögliche Folge von Kulturförderung in diesem Rahmen ein schönes Beispiel, das ich gerne erzähle.
Perspektive: Trotz dieser positiven Erfahrung als teilnehmende Kunstschaffende frage ich mich jedes Jahr, ob die Form der Workshops noch zeitgemäss ist. Der Aufwand für die verschiedenen Angebote und Auftritte innerhalb von zwei Tagen dünkt mich gross. Diese Vielfalt zu konsumieren ist mir persönlich meistens zu viel. In Erinnerung geblieben sind mir immer Referate über ein aktuelles Thema von sehr speziellen Gästen, bekannten Fachpersonen und Persönlichkeiten. Eine Austauschplattform, um sich mit anderen Kulturschaffenden auszutauschen, bei Speis und Trank, schätze ich. Die Konzentration auf diese zwei Angebote an einem Tag würde mir persönlich genügen, vielleicht mit einem künstlerischen Beitrag aus einer Sparte als Auftakt und Ausklang. Ein verdichtetes Ereignis, an einem speziellen Ort. Die Kulturlandsgemeinde an und für sich ist in meinen Augen ein erhaltenswerter, kostbarer Anlass. Dass sie immer zur gleichen Zeit im Jahr stattfindet, finde ich sehr gut.
Mitwirkende
Nils Althaus
Sonia Bischoff
Eliane Ninfa Blumer
Anna Dietsche
Alea Duden
Erich Federli
Matthias Flückiger
Johannes Gees
Anna Graber
Florian Graf
Stephan Graf
Uğur Gültekin
Harmoniemusik Teufen
Diego Hättenschwiler
Emanuel Hörler
Sonja Hugentobler
Fatima Moumouni
Musikgesellschaft Flühli
Pascale Osterwalder
Rebecca Panian
Hans-Dietrich Reckhaus
Martin Schläpfer
Nadja Schnetzler
Muriel Staub
Thomas Stricker
Dominic Tobler
Marco Weber
Niki Wiese & Fam.
Vedrana Žalac
Konzeptgruppe
Hans-Ruedi Beck
Margrit Bürer
Erich Federli
Rahel Inauen
Theres Inauen
Sabina Ruff
Petra Schmidt
Hanspeter Spörri
Ueli Vogt
Die Kulturlandsgemeinde begann bereits am Freitagabend mit der jährlichen Genossenschaftsversammlung und dem Bericht des Künstlers Thomas Stricker zur Entwicklung der sozialen Skulptur «handcherom / on the other hand», die er an der Kulturlandsgemeinde 2017 zwischen Herisau und Kalkfeld in Namibia initiiert hatte.
Am Samstag widmeten sich drei Plattform-Gespräche den Spannungsfeldern rund um den Gemeinsinn in einer individualisierten, digitalisierten und zukunftsgerichteten Gesellschaft. Jeweils zum Auftakt lotete der Kabarettist, Musiker und Schauspieler Nils Althaus die Grenzen altruistischen Handelns aus. Während des ganzen Tages konnte das Publikum in Werkstätten unterschiedlichste Facetten von Gemeinsinn erleben: An der Messstation für uneigennütziges Handeln mit dem Schauspieler Matthias Flückiger, beim Einblick in die Arbeit der Organisation aid Hoc in der humanitären Direkthilfe, beim UnFluencing mit der Schriftstellerin Niki Wiese, beim Wikipedia-Workshop mit den Wikipedians Diego Hättenschwiler und Muriel Staub, beim Bau eines Wildbienen-Hotels für den eigenen Garten unter Anleitung vom Biologen Emanuel Hörler, im Café des Visions der Künstlerin Anna Graber, auf der Holzklötzli-Baustelle mit Anna Dietsche und Alea Duden, am Sharing Kiosk der Illustratorin Pascale Osterwalder, im Bläserklassen-Crsahkurs vom Blasinstrumente-Fachmann Marco Weber und beim Crowdsourcing zu Ausserrhoder Fotosammlungen mit der Informationsspezialistin Eliane Ninfa Blumer und dem Historiker Stephan Graf. Am Samstagabend erfand die INES Late Night Show, moderiert vom Journalisten Uğur Gültekin und der Spoken Word Poetin Fatima Moumouni sowie musikalisch begleitet von der Harmoniemusik Teufen, eine neue Öffentlichkeit mit Migrationsvordergrund.
Am Sonntagmorgen fand die Vernissage des während zwei Monaten im offenen Atelier entstandenen Werks «Le déjeuner» der Künstlerin Sonja Hugentobler statt, es wurde die Sendschrift verlesen und Margrit Bürer führte ein Sonntagsgespräch mit dem Choreografen und Tänzer Martin Schläpfer. Die Harmoniemusik Teufen und die Musikgesellschaft Flühli spielten während des ganzen Festivals da und dort in wechselnden Formationen auf.