Mitten am Rand
Kulturlandsgemeinde Appenzell Ausserrhoden 2014, Schönengrund
Zentrum oder Peripherie? Schönengrund oder Zürich?
Die Kulturlandsgemeinde 2014 ging an die Ränder. In Schönengrund, an der Kantonsgrenze, fragte das Festival nach dem Verhältnis von Mitte und Rand, Zentrum und Peripherie. Die Ausserrhoder Kulturlandsgemeinde liegt ihrerseits abseits – zumindest von Zürich aus gesehen. Umgekehrt ist der Anlass, im zehnten Jahr seiner Durchführung, bei einem breiten Publikum etabliert. Hier wie überall kommt es also auf Standort und Blickwinkel an. Der will geübt und reflektiert sein.
«In meiner Rede tauchte Schönengrund mit seiner anregenden Vergangenheit auf, und ich malte eine beunruhigend eilige Bebauung Appenzells aus.»
Erinnerungen
Als ich in Schönengrund die Strickhäuser sah, einige wenige Häuser dicht neben einander, eine Anfangsvision vom Städtischen, interessierte mich ohnehin die Frage, wie eine kleinste Stadt definiert werden könnte, und im Appenzellerland fand ich noch weitere Häusergruppen mit diesem sichtbaren Zusammenhalt. Zugleich dachte ich an das ehemals kleine Athen, an das spätere Rom, an das heutige New York, und hatte die sich ausbreitenden Neubaugebiete vor Augen, die ich auch ausserhalb der Schweiz kenne. Die nicht zu bremsende Bauwut zeigt kaum je städtische Momente und nichts vom gewachsenen Zusammenhalt der bestrickenden Strickhäuser.
In meiner Rede tauchte Schönengrund mit seiner anregenden Vergangenheit auf, und ich malte eine beunruhigend eilige Bebauung Appenzells aus. Kurz darauf übernahm ich Passagen für eine ähnliche topographische Situation im Thurgau, für mein Buch «Jan, Janka, Sara und ich». Somit ist jetzt Appenzell mit dem Thurgau gut verstrickt.
Das Kochen könnte ohne Weiteres auch die Wertschätzung der ältesten und übergeordneten Kunst aller Künste erhalten. Das Kochen als ein wichtiges Kulturgut betrachten – eine spannende Perspektive!
Mitwirkende
Michael Elber
Karin Enzler
Lukas Erat
Zsuzsanna Gahse
Georg Gatsas
Gallus Hess
Patrick Kessler
Gallus Knechtle
Künstlergruppe FMSW (Faller Mieth Stüssi Weck)
Peter Moesch
Louis Ribaux
Anna Schindler
Astrid Staufer
Anna Stüssi
Kaspar Surber
Rainer Voss
Moritz Wittensöldner
Richard Wolff
Konzeptgruppe
Margrit Bürer
Heidi Eisenhut
Gisa Frank
Petra Schmidt
Hanspeter Spörri
Peter Surber
Ueli Vogt
In drei Plattform-Gesprächen umrandeten und zentrierten Fachleute aus Kunst und Kultur, Politik und Gesellschaft das Thema: geografisch und raumplanerisch, gesellschaftlich und lebensgeschichtlich. Wer definiert die Perspektiven und die Hierarchie des Blicks? Was wird in den Zentren bestimmt und was wird nur an den Rändern möglich? Wann geraten Menschen und Themen an den gesellschaftlichen Rand? Wer mittet ein und wer schliesst aus? Warum träumen viele von einem Leben in der Mitte und wie gehen wir mit lebensgeschichtlichen Umbrüchen um? Neben den Debatten lud der Spiel-Erfinder Moritz Wittensöldner Jung und Alt zum Spiel ohne Grenzen, die Kulturlandsgemeinde wurde zum Spielplatz über Generationengrenzen hinweg: Tisch-, Hallen-, Beziehungsspiele, New Games und Klassiker, alleine, in Teams, mit- und gegeneinander. Die Künstler:innengruppe FMSW (Faller Mieth Stüssi Weck) suchte nach der Mitte der Erde, sie grub vor und während der Kulturlandsgemeinde ein tiefes Loch. Der Fotograf Georg Gatsas weitete den Blick zwischen Waldstatt und London und die Schauspielerinnen Jeanne Devos und Karin Enzler machten Schönengrund zu den Brettern, welche die Welt bedeuten.
Am Sonntag gab es eine Live-Schaltung in die Metropole, die Ausserrhoder Kulturlandsgemeinde war für einmal auch im abgelegenen Zürich, im Haus Appenzell, mitzuerleben. Ebenfalls vor Ort waren die Schauspielerin Karin Enzler und der Musiker Patrick Kessler. Es wurde die Sendschrift verlesen, die Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse hielt eine Rede zum Thema und es gab tiefe Einblicke Richtung Zentrum der Erde. Die Gastköche Gallus Knechtle und Lukas Ehrat sorgten während der beiden Festivaltage für grenzenlosen Genuss, überraschende Begegnungen und verblüfften mit einer blühenden Mittagstafel.