Wegen Wind und Wetter

Kulturlandsgemeinde 2018, Schwägalp und Säntis

Mit Rücken­wind, im Schnee­ge­stö­ber und über dem Nebel­meer

Trübe Aus­sich­ten, stür­mi­sche Zeiten, auf der Son­nen­seite. Wan­der­wet­ter, Film­wet­ter, Unwetter. Sind Sie wet­ter­füh­lig? Wollen Sie über den Wolken schweben? Sorgen Sie sich um den Glet­scher­schwund oder träumen Sie von Tro­pen­näch­ten?

Die Kul­tur­lands­ge­meinde 2018 befasste sich mit dem Wetter – das uns alle tag­täg­lich bewegt, ärgert oder auf­mun­tert, das Gesprächss­toff liefert, für das wir uns wappnen, das wir beob­ach­ten, vor­her­sa­gen und besingen, dem wir nach­rei­chen und dem wir ent­flie­hen. Am Fusse und auf dem Gipfel des Säntis, auf dem seit 1882 eine Wet­t­er­sta­tion steht, ver­han­delte die Kul­tur­lands­ge­meinde während zwei Tagen Gross­wet­ter­la­gen, lud zu Aus­flü­gen ins Lite­ra­tur­wet­ter ein, lauschte dem Wind und liess Drachen steigen.

«Ich bin mir unglaub­lich klein vor­ge­kom­men, mit einem kleinen Projekt, in räum­li­chen und zeit­li­chen Ver­hält­nis­sen zur uralten Land­schaft absolut unbe­deu­tend.»

Fotos: Hannes Thalmann

Erinnerungen

Es war

…im Frühling 2018 und noch bevor Greta Thunberg und die «Friday for Future» zu demonstrieren begannen.

…auch bevor wir ein erstes Semester zum Thema «STOFF-WECHSEL» in Angriff nahmen.

…ein schöner Sonntagmorgen und ein besonderer Moment, zurückzukommen, zurückzuschauen auf die festen Dinge und dabei auch einen Blick zu wagen auf die weniger vertrauten, luftigen, gasförmigen.

…einer der wichtigen Anlässe in meiner Laufbahn, auf 2’502 Metern ein Höhepunkt und es wurde zu einem Wendepunkt, nur wusste ich das dann noch nicht.

Annette Gigon, Architektin

In Erinnerung geblieben von der Kulturlandsgemeinde 2018 auf der Schwägalp ist mir insbesondere das geschäftige und unglaublich engagierte Wirken am Abend und am Morgen vor der Eröffnung, diese Unruhe vor dem Sturm, im Gegensatz zu der erhabenen, ruhig stoischen Bergkulisse. Ein Kontrast, der während dem Tag präsent geblieben ist. Ich bin mir unglaublich klein vorgekommen, mit einem kleinen Projekt, in räumlichen und zeitlichen Verhältnissen zur uralten Landschaft absolut unbedeutend. Und vielleicht liegt die Qualität der Kulturlandsgemeinde darin, sich im «Kleinen», am Rand, immer wieder aufs Neue der vermeintlichen Bedeutungslosigkeit entgegenzustellen und angesichts der überdimensionierten, globalen Herausforderungen an die Bedeutung der einzelnen Teile im grossen Ganzen zu glauben.

Katrin Keller, Kunstschaffende

Durch die Brille der Literatur betrachtet, raucht dem Säntis der Kopf.

«Etwas zog mich an, und ich verfolgte meinen Weg durch all die düstere Verhängtheit weiter. Ich fand an der unendlichen Trauer, die hier ringsum herrschte, Gefallen. Herz und Phantasie gingen mir auf in dem Nebel, in dem Grau. Es war alles so grau. Ich blieb stehen, gebannt vom Schönen in diesem Unschönen, bezaubert von den Hoffnungen inmitten dieser Hoffnungslosigkeiten. Es schien mir, als sei es mir fortan unmöglich, noch irgend etwas zu hoffen. Dann schien es mir wieder, als schlängle sich ein süsses, unsagbar reizendes Glück durch die trauervolle Landschaft, und ich glaubte Töne zu hören; aber es war alles still.» (Aus: «Die Landschaft (1)» von Robert Walser)

Feinste Texte wie diese durften wir auf dem literarischen Spaziergang auf der Schwägalp in die schöne Landschaft werfen. Wobei anzumerken ist, dass die Kraft der Literatur, dargeboten in einer solch kraftvollen Natur, sehr schnell verpuffen kann, und der Schauspieler, die Schauspielerin gar nicht so viel Kraft aufwenden können, um einen Text bis in die letzte Faser des Innenohrs einer Zuhörerschaft zu platzieren. Literatur wird so ein bisschen zur Dekoration, die eindrucksvolle Kulisse der Natur ist die Gewinnerin. Das haben wir heimlich schon gemerkt beim Performen. Aber stellen Sie sich nur mal vor, es wäre umgekehrt! Der Säntis hätte eventuell mit einer Steinlawine geantwortet! Und wir hätten im Wellnessbereich vom Hotel Säntis nicht einmal etwas bemerkt davon. Wir hätten einfach gedacht: Wie wunderbar ist es doch hier! Und das war es auch!

Sandra Utzinger, Schauspielerin und Herwig Ursin, Schauspieler und Musiker

Mitwirkende

Gust Broger
Isabelle Chappuis
Gregor Dietze
Florian Dombois
Bettina Dyttrich
Marianne Eggen­ber­ger
Ariane Ehrat
Dominik Ernst
Annette Gigon
Rebecca Gugerli
Eva Helg
Thomas Horvath
Katrin Keller
Kaspar König
Till Linder
Lük Popp
Tobias Preisig
Andreas Schraft
Peter Stoffel
Peter Suter
Herwig Ursin
Sandra Utzinger
Gabriel Vetter
Matthias von Gunten
Andreas Walker
Peter Weber

Konzeptgruppe

Barbara Auer
Margrit Bürer
Gisa Frank
Fabian Harb
Rahel Inauen
Theres Inauen
Gallus Knechtle
Petra Schmidt
Han­spe­ter Spörri
Esther Widmer

Drei Platt­form-Gesprä­che widmeten sich am Samstag unter­schied­li­chen Facetten im Umgang mit Wind und Wetter: aus tou­ris­ti­scher, ver­si­che­rungs­tech­ni­scher, mete­o­ro­lo­gi­scher, schrei­ben­der, medi­zi­ni­scher, fil­me­ri­scher oder jour­na­lis­ti­scher Per­spek­tive. Der Wis­sen­schafts­jour­na­list Andreas Walker führte jeweils zum Auftakt der Dis­kus­si­o­nen in ein beson­de­res Wet­ter­phä­no­men ein. Gleich­zei­tig schufen ver­schie­dene Exkur­si­o­nen und Werk­stät­ten Raum für Expe­ri­mente, Erfah­run­gen und Aus­tausch: Der Wet­ter­schmö­cker Peter Suter lud zu einer Wan­de­rung auf der Schwä­galp, die Künstler Florian Dombois und Kaspar König expe­ri­men­tier­ten mit einem skulp­tu­ra­len Wind­ka­nal, der Indus­trial Designer Thomas Horvath leitete den Bau eines Nullwind-Drachens an und die Schau­spie­le­rin:innen Herwig Ursin und Sandra Utzinger führten auf einem lite­ra­ri­schen Spa­zier­gang durch ver­schie­dene Wetter- und Gefühl­sla­gen. In der Wet­ter­lounge prä­sen­tierte die Film­schaf­fende Marianne Eggen­ber­ger Film­s­ze­nen, in denen das Wetter im Zentrum steht, die Kunst­schaf­fende Katrin Keller sin­nierte mit dem Publikum über das optimale Lands­ge­mein­de­wet­ter und der Gestal­ter Lük Popp ermög­lichte mit der eigens fürs Festival pro­gram­mier­ten Wetter-Jukebox einen Ausblick in die aktu­el­len Wet­ter­ver­hält­nisse weltweit. Der Kaba­ret­tist Gabriel Vetter beglei­tete das Publikum mit humor­vol­len Über­le­gun­gen auf der Fahrt in der Schwe­be­bahn auf den Säntis. Dort führte Gust Broger rund um den Säntis, vorbei am gross­for­ma­ti­gen Werk vom Künstler Peter Stoffel. Nach einem Buffet mit wech­sel­haf­tem Angebot fand der Tag mit einem Konzert vom Vio­li­nis­ten Tobias Preisig seinen Abschluss.

Am Sonn­tag­mor­gen traf sich das Kul­tur­lands­ge­meinde-Publikum wiederum auf dem Säntis. Nach einem Kom­men­tar zur aktu­el­len Wet­ter­si­tua­tion von Andreas Walker und der Wahl des besten Säntis-Wet­ter­bil­des aus vielen vorab ein­ge­reich­ten Foto­gra­fien verlas Peter Surber die Send­schrift. Die Sonn­tags­rede hielt die Archi­tek­tin Annette Gigon. Im Anschluss ans Mit­tag­es­sen fand die zweite Ver­ga­be­feier der an der Kul­tur­lands­ge­meinde 2015 lan­cier­ten Stiftung Erb­pro­zent Kultur statt.

Flipflop
Wetterfrosch
Wirbel
Wetterhahn
Schneekanone
Sprechblasen
Jauche
grösser
glücklicher
gerechter

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