Text: Julia Kubik
Das Theaterstück TRUCK STOP der mobilen Erzähltheatergruppe Café Fuerte stoppt für einen Abend vor dem Zeughaus
Die Luft ist frisch, es dunkelt ein, das Publikum sitzt gespannt und in Decken gehüllt, teilweise noch mit „El Gato Muerto“-Drinks in den Händen im Halbkreis vor einem Weissen Mini-Lastwagen. Es geht los.
Trucker Sandro (Stefan Pohl) sitzt seit Wochen fest. Er hat sich schon häuslich eingerichtet. An Hans (Tobias Fend), dem eifrigen Alleinherrscher über einen kleinen, unbedeutenden Grenzübergang, kommt keiner einfach so vorbei. Aber als Sandro eines Tages beim Wäsche aufhängen versehentlich den Grenzverlauf verlegt, kommt Grenzer Hans völlig aus seinem Konzept. Wenn man eine Grenze einfach verschieben kann, was ist sie dann noch wert? Was gilt dann überhaupt noch? Die Grenzen zwischen den beiden Männern verschieben sich zunehmend.
Das Stück beginnt direkt sehr energetisch mit einem neurotischen Anfall von Hans. Leidenschaftlich und ausser sich springt er auf und ab und erklärt die Schönheit und Notwendigkeit von Grenzen. Sie seien „Zeichnungen in der Natur“, „schützenswert“ und „wunderschön.“ Sandro hat kein Verständnis dafür. Er sieht in der Behauptung von Grenzen eher die totale Sinnlosigkeit. Es wird schnell klar: Hier geht es ums Ganze. Landesgrenzen als offensichtlicher Einstieg führen bald zu allerlei individuellen, moralischen und philosophischen Grenzen. Während Hans um jeden Preis vermeiden will, das Sandro „seine“ Ortsgrenze übertritt, Kann Sandro es nicht ertragen, das Hans es wagt, in seinen Truck einsteigen zu wollen, ohne zuvor seine Stiefel auszuziehen.
Es ist ein sehr abwechslungsreiches und vielseitiges Stück: Slapstick-Momente wechseln sich mit Melancholischem und Intimem ab. Hans telefoniert immer wieder mit seiner Tochter „Prinzessin“, Sandro mit seiner Mutter. Beide sehr aufgeregt und um das Wohl ihrer Nächsten besorgt. Ausserdem erfährt Sandro, das die Frau von Hans schon seit längerem in einem „Töpferkurs in Sardinien ist, wo sie krumme Vasen gatscht“ und nutzt diese Information, um Hans‘ Heile-Welt-Selbstbehauptung kritisch zu hinterfragen.
In kürzester Zeit werden sämtliche grossen Themen des Menschseins wie Einsamkeit, Liebe, Sehnsucht, Schmerz, Familie und Freiheit verhandelt. Dazwischen gibt es viel Situationskomik und Konflikte, die immer absurdere Haken schlagen. Begleitet wird das ganze vom virtuosen Musiker Philipp Lingg (auch bekannt aus der Band Holstuonarmusigbigbandclub, die 2010 mit dem Lied Vo Mello bis ge Schoppornou im Vorarlberger Dialekt einen Österreichischen Chart-Hit landeten) an Gitarre, Akkordeon und Gesang. Manchmal singen sie auch alle zusammen.
TRUCK STOP ist ein sinnliches Gesamtereignis und nicht nur inhaltlich, sondern auch formal immer wieder überraschend. Grossflächige Projektionen auf dem Truck bilden eine zusätzliche visuelle Ebene. Mal sind es eher abstrakte Animationen, mal sehr wahrheitsgemässe Nachbildungen von Fernseh-Quizshows.
Geschrieben hat das Stück Tobias Fend, Regie geführt hat Danielle Fend-Strahm. Für die Szenografie war Ronja Svaneborg verantwortlich, assistiert hat Nadine Schütz.
Am Ende werden die Grenzen zwischen den Männern etwas gelockert, was unter anderem mit einer Dose Tomatensuppe zu tun hat. Mehr sollte an dieser Stelle aber nicht gespoilert werden. Ein Livebesuch lohnt sich. Die baldigen Spieldaten sind auf cafefuerte.at zu finden.