24. Mai 2023, 17.28 Uhr

Jedem seine Gren­ze

Text: Julia Kubik

Das The­a­ter­stück TRUCK STOP der mo­bi­len Er­zähl­the­a­ter­grup­pe Café Fu­er­te stoppt für einen Abend vor dem Zeug­haus

Die Luft ist frisch, es dun­kelt ein, das Pu­bli­kum sitzt ge­spannt und in De­cken gehüllt, teil­wei­se noch mit „El Gato Mu­er­to“-Drinks in den Hän­den im Halb­kreis vor einem Weis­sen Mini-Last­wa­gen. Es geht los.

Tru­cker San­dro (Ste­fan Pohl) sitzt seit Wo­chen fest. Er hat sich schon häus­lich ein­ge­rich­tet. An Hans (To­bi­as Fend), dem eif­ri­gen Al­lein­herr­scher über einen klei­nen, un­be­deu­ten­den Grenz­über­g­ang, kommt kei­ner ein­fach so vor­bei. Aber als San­dro eines Tages beim Wä­sche auf­hän­gen ver­se­hent­lich den Grenz­ver­lauf ver­legt, kommt Gren­zer Hans völ­lig aus sei­nem Kon­zept. Wenn man eine Gren­ze ein­fach ver­schie­ben kann, was ist sie dann noch wert? Was gilt dann über­haupt noch? Die Gren­zen zwi­schen den bei­den Män­nern ver­schie­ben sich zu­neh­mend.

Das Stück be­ginnt di­rekt sehr ener­ge­tisch mit einem neu­ro­ti­schen An­fall von Hans. Lei­den­schaft­lich und aus­ser sich springt er auf und ab und er­klärt die Schön­heit und Not­wen­dig­keit von Gren­zen. Sie seien „Zeich­nun­gen in der Natur“, „schüt­zens­wert“ und „wun­der­schön.“ San­dro hat kein Ver­ständ­nis dafür. Er sieht in der Be­haup­tung von Gren­zen eher die to­ta­le Sinn­lo­sig­keit. Es wird schnell klar: Hier geht es ums Ganze. Lan­des­gren­zen als of­fen­sicht­li­cher Ein­stieg füh­ren bald zu al­ler­lei in­di­vi­du­el­len, mo­ra­li­schen und phi­lo­so­phi­schen Gren­zen. Wäh­rend Hans um jeden Preis ver­mei­den will, das San­dro „sei­ne“ Orts­gren­ze über­tritt, Kann San­dro es nicht er­tra­gen, das Hans es wagt, in sei­nen Truck ein­stei­gen zu wol­len, ohne zuvor seine Stie­fel aus­zu­zie­hen.

Es ist ein sehr ab­wechs­lungs­rei­ches und viel­sei­ti­ges Stück: Slap­stick-Mo­men­te wech­seln sich mit Me­lan­cho­li­schem und In­ti­mem ab. Hans te­le­fo­niert immer wie­der mit sei­ner Toch­ter „Prin­zes­sin“, San­dro mit sei­ner Mut­ter. Beide sehr auf­ge­regt und um das Wohl ihrer Nächs­ten be­sorgt. Aus­ser­dem er­fährt San­dro, das die Frau von Hans schon seit län­ge­rem in einem „Töp­fer­kurs in Sar­di­ni­en ist, wo sie krum­me Vasen gatscht“ und nutzt diese In­for­ma­ti­on, um Hans‘ Heile-Welt-Selbst­be­haup­tung kri­tisch zu hin­ter­fra­gen.

In kür­zes­ter Zeit wer­den sämt­li­che gros­sen The­men des Mensch­seins wie Ein­sam­keit, Liebe, Sehn­sucht, Schmerz, Fa­mi­lie und Frei­heit ver­han­delt. Da­zwi­schen gibt es viel Si­tua­ti­ons­ko­mik und Kon­flik­te, die immer ab­sur­de­re Haken schla­gen. Be­glei­tet wird das ganze vom vir­tuo­sen Mu­si­ker Phil­ipp Lingg (auch be­kannt aus der Band Hol­stuon­ar­mu­sig­big­band­club, die 2010 mit dem Lied Vo Mello bis ge Schoppor­nou im Vor­arl­ber­ger Di­a­lekt einen Ös­ter­rei­chi­schen Chart-Hit lan­de­ten) an Gi­tar­re, Ak­kor­de­on und Ge­sang. Manch­mal sin­gen sie auch alle zu­sam­men.

TRUCK STOP ist ein sinn­li­ches Ge­sam­ter­eig­nis und nicht nur in­halt­lich, son­dern auch for­mal immer wie­der über­ra­schend. Gross­flä­chi­ge Pro­jek­ti­o­nen auf dem Truck bil­den eine zu­sätz­li­che vi­su­el­le Ebene. Mal sind es eher ab­s­trak­te Ani­ma­ti­o­nen, mal sehr wahr­heits­ge­mäs­se Nach­bil­dun­gen von Fern­seh-Quiz­shows.

Ge­schrie­ben hat das Stück To­bi­as Fend, Regie ge­führt hat Da­ni­elle Fend-Strahm. Für die Sze­no­gra­fie war Ronja Sva­ne­borg ver­ant­wort­lich, as­sis­tiert hat Na­di­ne Schütz.

Am Ende wer­den die Gren­zen zwi­schen den Män­nern etwas ge­lo­ckert, was unter an­de­rem mit einer Dose To­ma­ten­sup­pe zu tun hat. Mehr soll­te an die­ser Stel­le aber nicht ge­spoi­lert wer­den. Ein Li­ve­be­such lohnt sich. Die bal­di­gen Spiel­da­ten sind auf ca­fe­fu­er­te.at zu fin­den.