24. Mai 2023, 17.25 Uhr

Sehn­sucht an der Theke

Text: Jo Glaus

Beim Ein­tre­ten durch schwe­re Vor­hän­ge in einen klei­nen Schup­pen schwappt einem schon eine Duft­wel­le von Ze­dern­holz, Zi­trus­no­ten und Yuzu ent­ge­gen. So­fort wird man in die klei­ne Bar hin­ein­ge­so­gen; in eine an­de­re Welt.

Mi­cha­el Bo­den­mann und Ba­r­ba­ra Si­g­ner (Bar­mann*frau und Mit­füh­rer*in des Kunst­pro­jekts El Gato Mu­er­to) er­zäh­len davon, wie die­ser Mi­kro­kos­mos ent­stand.

Vor drei­ein­halb Jah­ren fand im Kul­tur­kon­su­lat eine Ausstel­lung zum Thema «Work Life Ba­lan­ce» statt. Im Rah­men des­sen kam die Idee auf, eine Bar zu ge­stal­ten. Zwei Wo­chen bevor die Co­ro­na­pan­de­mie aus­brach, wurde das Pro­jekt auf die Beine ge­stellt.

So nahm die Bar schnell einen Stel­len­wert als Sehn­suchts­ort ein. Ein Raum, in dem die Zeit still steht, in dem es nur Ge­schich­ten, Ge­läch­ter, ja­pa­ni­sches Bier und den Mo­ment gibt. In der Bar sticht das Fern­weh heute noch, auch wenn die Gren­zen wie­der offen ste­hen.

Die Wände trop­fen nur so vor Er­in­ne­rungs­stü­cken, ei­ge­ne und frem­de Er­fah­run­gen in den le­ben­den Din­gen. Post- und Vi­si­ten­kar­ten, Sou­ve­nirs, aber auch per­sön­li­che Fo­to­gra­fi­en – dar­un­ter ein Bild der Küche in Mi­chaels El­tern­haus, wel­che mit ihren reich be­stück­ten Wän­den an die Bar selbst er­in­nert.

Man fühlt sich, als würde man eine Wohn­stu­be be­tre­ten.

Mi­cha­el er­zählt von sei­ner Zeit in Japan und dass man dort sol­che engen, «stru­ben» per­sön­li­chen Bars an jeder Ecke fin­det. Die In­spi­ra­ti­on ist klar nach­voll­zieh­bar. Von Ja­pa­ni­sche Kult- und Ac­ti­o­n­fi­gu­ren, Fla­schen, ge­schmückt mit ja­pa­ni­schen Schrift­zei­chen, Schall­plat­ten und Mi­nia­tur­mo­del­len von Ge­bäu­den über die Aus­wahl der ser­vier­ten Ge­trän­ke, bis hin zur At­mo­sphä­re, zu­sam­men­ge­setzt aus einem Duft, der an ja­pa­ni­sche Ze­dern­holz­häu­ser er­in­nert, dem klei­nen Raum, wel­cher zum Ken­nen­ler­nen ani­miert und der Hin­ter­grund­mu­sik.

Tat­säch­lich sind viele Er­in­ne­rungs­stü­cke aus ihrer Zeit in Japan dabei. Die Bar ist je­doch nicht län­der­spe­zi­fisch auf­ge­baut. El Gato Mu­er­to prangt stolz auf einem Leucht­schild über der <span class="Nor­mal­T­ex­tRun SCX­W841118 BCX2" >span class="Nor­mal­T­ex­tRun SCX­W841118 BCX2">. Die­ses hat Mi­cha­el von sei­nen Rei­sen in Ar­gen­ti­ni­en mit­ge­bracht.

Ge­wis­se Kunst­wer­ke sind extra für die Bar an­ge­fer­tigt wor­den, sei das von Zür­cher Künst­lern oder be­schwips­ten Gäs­ten. Wei­te­re Ob­jek­te er­zäh­len die Ge­schich­te der Bar selbst. Ein fest­lich ein­ge­rahm­ter Schlüs­sel er­in­nert an den letz­ten (il­le­gal) be­setz­ten Stand­ort. Bil­der­rei­hen an wei­te­ren Stand­orten zei­gen die ver­schie­de­nen Ge­sich­ter der wan­dern­den Bar.

El Gato Mu­er­to bleibt nicht lange an einem Ort. Die Bar zieht umher, auch über die Lan­des­gren­zen hin­aus und be­glückt Men­schen an den ver­schie­dens­ten Orten. Sie sta­gniert nicht, sie wan­delt sich je nach ar­chi­tek­to­ni­schem Raum und in­di­vi­du­el­lem Um­feld. Nie ist sie an­onym, son­dern un­er­schro­cken intim. So ist und bleibt sie un­kon­su­mier­bar.

Für die Gäste kann sie mit ihrem engen Raum eine Platt­form zur In­ter­ak­ti­on mit an­de­ren Gäs­ten und Bar­kee­per*in­nen, mit den Ob­jek­ten und deren Ge­schich­ten, wie schlus­s­end­lich auch mit sich selbst füh­ren. So wird sie zu einem klei­nen «Sa­fe­space», einer Zeit­kap­sel, in der man ein­fach mal sein darf.

Die Bar ist immer be­dient. Sie ist also kein stil­les Kunst­werk, eher eine Mi­schung aus Per­for­mance- Art, sze­no­gra­fi­scher In­ter­ak­ti­ons­flä­che und Ge­schich­ten­stät­te.

Nicht nur die Er­in­ne­rungs­stü­cke er­zäh­len Ge­schich­ten. Die Bar füllt sich auch mit jedem Be­such wei­ter, mit An­ek­do­ten, neuen «Knick-Knacks» und Musse.

Diese Bar ist für Ba­r­ba­ra und Mi­cha­el ein Stück Hei­mat, wel­ches sie immer wie­der an neuen Orten auf­bau­en kön­nen. Eine fremd­be­kann­te Par­al­lel­welt.

Ich kann nur emp­feh­len: ein­tre­ten, an­stos­sen und an­kom­men.